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Mittelpunkt des Großkirchspiels Schenefeld

Um 1030, vielleicht auch dreißig Jahre später - wir wissen es nicht genau – ging die karolingische Basilika in Flammen auf. Sie war das Opfer einer der vielen Plünderungszüge geworden, die die in Wagrien wohnenden Slawen nach Holstein unternahmen. Bis nach Itzehoe und Burg in Dithmarschen waren sie vorgedrungen, mit Raub und Brand das Land verheerend. Die Zeit, da Karl der Große mit starker Hand das Gebiet nördlich der Elbe schirmte, war längst vorbei. Das zerfallene Karolingerreich sah sich außerstande, der bedrohten Nordgrenze zu Hilfe zu kommen. Im Jahre 845 wurde Hamburg, der Bischofssitz des heiligen Ansgar, zerstört. So mussten die Nordelbinger fortan in der Abwehr der Dänen und Slawen sich auf ihre eigene Kraft und Wachsamkeit verlassen. Tapfer hielten sie sich aufrecht und wahrten ihr Volkstum.

Die Kirchspiel-Schenefelder bauten ihre zerstörte Kirche wieder auf. Aber nicht in der verfeinerten Form der karolingischen Basilika, sondern vereinfacht: eine romanische Saalkirche entstand, der man im Westen einen für den sächsischen Kunstkreis charakteristischen Rundturm vorlegte. Mit dem Verzicht auf die Wiederherstellung des Urbildes sehen wir die geistige Verbindung mit dem rheinisch-gallischen Kulturgebiet abgerissen und neue, eigenständige Formkräfte sich entfalten.

Der Zwang zur Selbstbehauptung entband und verstärkte zugleich die Bildung oder Fortsetzung eigengesetzlicher Einrichtungen, die der Sicherung und Verwaltung des Gaues Alt-Holstein dienten. Um die bedrohten Einfallstellen an der Grenze hatten sich Volksverbände als Unterteilung des Gaues herausgebildet, die im Kriegsfalle schnell zur Verteidigung der Heimat aufgeboten werden konnten. Wir erkennen sie in den sog. Großkirchspielen wieder. Das Großkirchspiel Jevenstedt bewachte die Eiderübergänge bei Rendsburg und Schülp, die Großkirchspiele Nortorf und Neumünster schirmten die östliche Siedelgrenze gegen die Slawen in Ostholstein. Das Großkirchspiel Schenefeld legte sich sichernd um den „Paß von Grünenthal”, den einzigen, stets passierbaren Verbindungsweg zwischen Dithmarschen und Holstein.
 

 

Nordelbingen um 830. In dem Gebiet zwischen Elbe, Eider und dem Limes Saxonie sitzen die nordelbischen Sachsen, die Nordelbinger, eingeteilt in die Gaue Dithmarschen, Holsten und Stormaren. Nachbarn sind im Norden die Dänen, im Osten die slawischen Obotriten und im Süden die südelbischen Sachsen (Niedersachsen). Der Verlauf der Westküste kann nur ungefähr sein.

Das Schenefelder Großkirchspiel hatte damals eine riesenhafte Ausdehnung, reichte es doch von der Haaler Au bis an die Bekau, von der Holsten- und Gieselau im Westen bis nach Osterstedt. Im Laufe der Zeit wurde es verkleinert. So gingen die nördlich der Bekau gelegenen Dörfer an adelige Güter und - pfarrmäßig – an die Kirche zu Hohenaspe über. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts entstand als hochmittelalterliche Gründung die Kirche zu Hademarschen, und damit wurde das gleichnamige Kirchspiel von der „Mutterkirche der Holsten” gelöst. Bereits vorher hatte man die Pfarrbezirke von Nortorf und Kellinghusen von St. Bonifatius abgelegt.

So umfasste die Schenefelder Kirche von dem 13. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts folgende Dörfer: Haale, Lütjenwestedt, Beringstedt, Osterstedt, Maisborstel, Todenbüttel - seit 1863 Kirchspiel Todenbüttel; Gokels, Ohrsee, Seefeld, Puls, Reher, Christinenthal, Oldenborstel, Pöschendorf, Kaisborstel, Hadenfeld, Siezbüttel, Bokhorst, Aasbüttel, Warringholz, Schenefeld - seit 1863 Kirchspiel Schenefeld; Mehlbek, Agethorst, Nienbüttel, Kohlenbek, Wacken, Vaale, Gribbohm, Holstenniendorf, Besdorf, Bokelrehm - seit 1863 Kirchspiel Wacken.

Die Eingesessenen des Schenefelder Pfarrbezirks bildeten - mit Ausnahme der unter adeliger Herrschaft stehenden Dörfer - auch in weltlich-politischer Beziehung einen geschlossenen Verband. Zum Gericht kamen die Bauern in Schenefeld, vermutlich auf dem Kirchhof, zusammen und sprachen Recht nach dem mündlich überlieferten „Holstenlandrecht”. Aus ihrer Mitte gingen der Richter, „de Dingvagt”, und der Ausschuss rechtskundiger Männer hervor, der Urteílsfinder, sog. 32 „sekere” und „frame“ Holsten, deren Urteil der Dingvogt zu verkünden hatte. Nach alten germanischen Rechtsvorstellungen war es nicht seine Aufgabe, das Urteil „zu finden". Er hatte, wie im heutigen angelsächsischen Recht, lediglich für den richtigen Ablauf des Prozessverfahrens zu sorgen. Auf dem Galgenberg südlich des Ortes wurde das Todesurteil vollstreckt. Wenn Kriegsgefahr im Anzuge war, versammelten sich in Schenefeld die Waffenfähigen des Kirchspiels zum Kírchspiels-Aufgebot. So war das Großkirchspiel Schenefeld zugleich Pfarrbezirk, Gerichtsgemeinde und Heeresverband, in späterer Zeit auch Verwaltungsbezirk (Zivilkirchspiel, Kirchspielvogtei). In der Deckung all dieser Elemente öffentlichen Lebens erkennen wir das im Germanischen verwurzelte Eigenständige der Großkirchspielverfassung. Nicht von der Kirche ist die Gründung ausgegangen, sondern sie ist autonom im Lande erwachsen, ein echter Volksverband, dem sich die kirchliche Organisation angepasst hat. Als im Jahre 1111 die Schauenburger zu Grafen in Holstein und Stormarn ernannt wurden, begann ein entscheidender Prozess der Umwandlung dieser altsächsischen Verhältnisse. Der neue Herr brachte die in seinem Stammlande an der Weser gewohnte Auffassung mit, dass alle Gewalt und Herrschaft von ihm ausgehe. Das stand den selbstbewussten Holsten nicht nach dem Sinn. Sie waren gewohnt, in althergebrachter Weise selbst die Geschicke des Landes zu bestimmen und die getroffenen Entscheidungen aus eigener Autorität auszuführen, sei es im Rahmen des Gaues oder des Großkirchspiels. An der Spitze des Gaues stand der Gauführer, der „Overbode”, den sie aus den Großbauerngeschlechtern (Volksadel) wählten, Und ebenso bestimmten sie für das Großkirchspiel einen eigenen Führer, den „Boden“ (niederdeutsch „Bade”). In der Verteidigung ihrer alten Volksfreiheit begegneten sie den gräflichen Herrschaftsansprüchen mit Widersetzlichkeit und Aufständen, sodass die Grafen wiederholt dem Widerstand weichen und das Land verlassen mussten. Als sie jedoch 1227 in der Schlacht bei Bornhöved den dänischen Feind vernichtend geschlagen hatten, erlangten sie volles Ansehen im Lande und konnten künftighin der Folge der Holsten sicher sein. Bis 1459 haben die Schauenburger mit großem Ansehen in Schleswig-Holstein regiert.

Sie waren klug genug, in der Verwaltung die Formen der alten Volksverfassung beizubehalten. Ein Wandel trat nur in der obersten Befehlsgewalt der höchsten Autorität, ein. Sie ging nunmehr vom Grafen und späteren Herzog aus (seit 1460 war der dänische König Herzog von Holstein und als solcher Landesherr). Als ein örtlicher Vertreter fungierte der Vogt auf Hanerau wie es ebenso einen Beamten für Rendsburg und Itzehoe gab. Er zog die Steuern ein; in seiner Gegenwart hielten die Bauern nach gewohnter Weise das Kirchspielsgericht ab, er bot in den Kirchspielen Schenefeld und Hademarschen die Waffenfähigen zum Heeresdienst auf. Später setzte der Graf über die einzelnen Kirchspiele je einen Kirchspielvogt ein, womit der Aufbau der Lokalverwaltung im Mittelalter seinen Abschluss fand.

Die Burg Hanerau, in der Niederung der Hanerau östlich Hademarschen gelegen und nicht bei Keller! - war um 1150 von Graf Adolf Il. als Grenzfeste gegen die Dithmarscher erbaut worden. Seit die Schauenburger Grafen in Holstein regierten, lebten die Nachbarn beiderseits der Holstenau in Spannung und häufiger Feindschaft. Ihre Wege und Ziele hatten sich getrennt: Die Dithmarscher betrieben das große Kolonisationswerk der Marschengewinnung, die Holsten wurden durch ihr Herrscherhaus aus der Enge des alten Gaurahmens zu einer Ausweitung ihrer Macht und ihres Volkstums über die Grenzen geführt. Seit 1139 war das slawische Ostholstein in ihrer Hand, um die Mitte des 13. Jahrhunderts drangen sie siedelnd und herrschend in das Herzogtum Schleswig vor. Die Burg Hanerau erschien den Dithmarschern als die „geballte Faust", die auf ihr Land gerichtet war. Bis 1404 entrichteten sie dorthin ihren Zins. In der verlustreichen Niederlage desselben Jahres scheiterte abermals der Versuch der Holstengrafen, sich der freien Bauernrepublik zu bemächtigen. Dies spannungsreiche Verhältnis an der Grenze hat jahrhundertelang die Geschichte des Kirchspiels Schenefeld belastet.

1281 hatten die Dithmarscher das Schenefelder Gebiet derart verheerend heimgesucht, dass die Einwohner des Dorfes Looft an ihrem Kirchgang nach Schenefeld gehindert wurden und daher an die Kirche zu Hohenaspe umgepfarrt werden mussten. 1317 durchzogen die feindlichen Nachbarn plündernd die Kirchspiele Schenefeld, Neumünster und Nortorf. Auf dem Rückzuge auf der Lübschen Trade wurden sie bei Bünzen niedergemacht. Obwohl man 1323 und 1345 den Frieden zu Hanerau geschlossen hatte, brachen um 1390 erneut fehdelustige Dithmarscher ins Kirchspielsgebiet ein. Graf Klaus bot die Kirchspiele Schenefeld und Hademarschen zur Verfolgung auf und gab den Dithmarschern bei Tippersloh (Nähe Beldorf) einen kräftigen Denkzettel mit. Damals kämpften die Schenefelder Bauern teils zu Fuß, teils zu Pferde. Bis in das 17. Jahrhundert bildeten ihre Spieße und Schwerter in der Stube einen stolzen Wandschmuck.

lndes, die Tage der Dithmarscher Freiheit waren gezählt; in dem mit Dänemark verbundenen Schleswig-Holstein war ein übermächtiger Gegner erstanden.

Wohl vermochten die stolzen Marschbauern das vereinigte Ritterheer in der Schlacht bei Hemmingstedt im ]ahre 1500 völlig zu vernichten. An diesem Kampfe nahm auch das Wehraufgebot des Kirchspiels Schenefeld teil, das seit 1450 im Verband des Amtes Rendsburg stand (seitdem befindet sich Schenefeld verwaltungsmäßig bei Rendsburg).

Fünf Jahrzehnte später bestritten Ritter und Söldner allein den Kampf. König Friedrich Il. und die Herzöge Johann der Ältere und Adolf traten 1559 zur „letzten Fehde” an. Das Kirchspielgebiet stand im Mittelpunkt des Aufmarsches. Nachdem der Fehdebrief von Hohenwestedt abgeschickt worden war, schlug der König sein Hauptquartier am 19. Mai 1559 in Schenefeld auf; auf Schloss Mehlbek führte er vorher letzte Besprechungen mit dem Feldmarschall Johann Rantzau, dem das Gut gehörte. Dann nahte auf dem alten Heerwege von Itzehoe über Breitenfelde das schwer gerüstete Heer und marschierte über Keller und Grünenthal in Dithmarschen ein. Die Freiheit und Selbständigkeit der Bauernrepublik ging zu Ende, die Zukunft gehörte dem Fürstentum.

 

 

 

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